Überblick

Im Vorfeld einer Operation entscheidet der Arzt darüber, welche dem medizinischen Standard entsprechende Operationsmethode er vorschlägt. Der Patient entscheidet nach der entsprechenden Aufklärung, in welche der vorgeschlagenen Methoden er einwilligt. Der Arzt muss über die Behandlung, die dadurch entstehenden Risiken und über möglicherweise risikoärmere Behandlungsalternativen dergestalt aufklären, dass der Patient in die Lage versetzt wird, selbstbestimmt in eine Behandlungsvariante einzuwilligen.

Der Arzt muss jedoch nicht über eine gleichwertige Operationsmethode aufklären, solange die von ihm vorgeschlagene Therapie dem damaligen medizinischen Standard entsprach.

Durchblick

Nach einem Sturz von der Leiter wurde der Kläger im Jahr 2001 wegen Rückenschmerzen in der LWS-Region mit Ausstrahlungen in den rechten Oberschenkel in die neurochirurgische Klinik der Beklagten eingeliefert.

In der Klinik wurde nach umfangreichen Untersuchungen eine Kompressionsfraktur des zweiten Lendenwirbelkörpers festgestellt. Zwar ging man (zunächst) noch nicht von einer Indikation für einen operativen Eingriff aus, trotzdem führte der Arzt mit dem Patienten ein Gespräch über die Möglichkeit der konservativen Ruhigstellung und alternativ dazu über die Möglichkeit einer Operation.

Im Anschluss an dieses Gespräch erklärte sich der Kläger vorsorglich mit dem vorgeschlagenen operativen Vorgehen einverstanden.

Nachdem sich der Zustand des Klägers verschlechtert hatte, wurde dieser entsprechend des ärztlichen Vorschlages operiert. Nach der Operation konnte der Kläger zunächst alle Muskelgruppen kräftiger bewegen als vorher, er litt jedoch im Laufe der Anschlussheilbehandlung unter zunehmenden Schmerzen. Drei Monate später unterzog sich der Kläger einer Revisionsoperation.
Der Kläger machte sowohl einen Behandlungsfehler als auch einen Aufklärungsfehler bezüglich der ersten Operation geltend und verlangte von der Klinik Schadensersatz und Schmerzensgeld.
Mit Urteil vom 06. März 2012 hat das Thüringer Oberlandesgericht die Klage abgewiesen.
Das Gericht sah den Kläger durch das vorsorglich geführte Gespräch über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten der Fraktur – konservative Ruhigstellung oder operatives Vorgehen – als ausreichend aufgeklärt an:

„Zur Behandlungsaufklärung (als Kernstück der vom Arzt geschuldeten Aufklärung) gehört zunächst die Erläuterung der Art der konkreten Behandlung; daneben aber auch der Tragweite des Eingriffs. Unter letzterem Gesichtspunkt ist die Grenze zur Risikoaufklärung fließend. Gegenstand der selben ist die Frage, inwieweit der Patient über die mit fehlerfreie medizinische Behandlung möglicherweise verbundenen Schädigungsrisiken aufzuklären ist; seien es mögliche Eingriffskomplikationen in der Operation, seien es sonstige schädliche Nebenfolgen aus dem Eingriff. Schließlich gehört zur Behandlungsaufklärung noch, dass der Arzt dem Patienten die Kenntnis von echten Behandlungsalternativen verschaffen muss. Art und Weise (Umfang) der Aufklärung wird dabei bestimmt und begrenzt von der Notwendigkeit, dem Patienten als medizinischen Laien eine allgemeine Vorstellung von der in Betracht stehenden ärztlichen Behandlung, von den Belastungen und die Risiken, zu vermitteln. Aufklärung soll also nicht medizinisches Detailwissen vermitteln, sondern eine ergebnisbezogene zutreffende Entscheidungsgrundlage für die Selbstbestimmungskompetenz des Patienten; dieser muss dementsprechend (nur) „im Großen und Ganzen“ aufgeklärt werden.“

Die Pflicht des Arztes zur Aufklärung umfasst jedoch keine ungefragte Erläuterung, welche Behandlungsmethoden in Frage kommen und wie deren jeweilige Vor- und Nachteile aussehen, solange die angewendete Therapie dem medizinischen Standard der damaligen Zeit genügt. Der Arzt hat lediglich über echte Behandlungsalternativen aufzuklären. Dies sind medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Standardbehandlungsmethoden, welche sich trotz Gleichwertigkeit in den jeweiligen Risiken und Erfolgschancen unterscheiden.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Arzt für die Variante der Ruhigstellung und für die operative Variante jeweils die Risiken mit dem Kläger besprochen hatte und stütze sich dabei u.a. auf den vorbereiteten Einwilligungsbogen mit handschriftlichen Notizen über den Verlauf der vorgeschlagenen Operation.

Urteil des Oberlandesgerichts Thüringen vom 6. März 2012 – 4 U 26/11 -; Vorinstanz: Landgericht Gera, Urteil vom 17. Dezember 2010 – 3 O 1016/02 -.

Link zum Oberlandesgericht Thüringen: www.thueringen.de/olg/

Weitblick

Die Entscheidung macht für Patienten deutlich, wie wichtig es bei einem Behandlungsgespräch ist, den Arzt nach anderen bestehenden operativen Methoden zu fragen und damit eine Erweiterung der Aufklärung herbeizuführen.
Für Ärzte verdeutlicht das Urteil, dass sich eine ausführliche Dokumentation der Aufklärung lohnt.