Überblick

Der Aufsichtsratsvorsitzende einer Klinik hatte gegenüber der Presse erläutert, dass man wegen des „Umbruchs auf dem Gesundheitsmarkt“ sich für einen anderen Bewerber entschieden habe, der das Unternehmen „langfristig in den Wind stellen“ könne. Der 62 – jährige bisherige medizinische Geschäftsführer hatte das Nachsehen und fühlte sich aufgrund seines Alters diskriminiert, als sein Dienstvertrag ausgelaufen war und nicht verlängert wurde. Der BGH teilte diese Ansicht und wendete damit erstmals das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz auf den Geschäftsführer einer GmbH an.

Durchblick

„Der Kläger war bis zum Ablauf seiner Amtszeit am 31.08.2009 der medizinische Geschäftsführer der beklagten Kliniken der Stadt Köln, einer GmbH. Die Anteile an dieser Gesellschaft werden von der Stadt Köln gehalten. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft hat über den Abschluss, die Aufhebung und die Änderung des Dienstvertrags der Geschäftsführer zu entscheiden. In dem mit einer Laufzeit von 5 Jahren abgeschlossenen Dienstvertrag des Klägers war vereinbart, dass die Vertragsparteien spätestens 12 Monate vor Vertragsablauf mitteilten, ob sie zu einer Verlängerung des Vertragsverhältnisses bereit waren. Der Aufsichtsrat der Beklagten beschloss im Oktober 2008, das Anstellungsverhältnis mit dem im Zeitpunkt der (regulären) Vertragsbeendigung 62 Jahre alten Kläger nicht über den 31.08.2009 hinaus fortzusetzen. Die Stelle des medizinischen Geschäftsführers wurde vielmehr mit einem 41 –jährigen Mitbewerber besetzt.“

Daraufhin klagte der Geschäftsführer auf Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens.

Das Oberlandesgericht hatte der Klage im Wesentlichen stattgegeben, den eingeklagten Ersatz des immateriellen Schadens jedoch erheblich reduziert. Diese Entscheidung wurde vom Bundesgerichtshof bestätigt:

„Nach § 6 III AGG findet das Gesetz Anwendung auf Geschäftsführer einer GmbH, soweit es um den Zugang zu dem Geschäftsführeramt und um den beruflichen Aufstieg geht. In dem Beschluss, dem Kläger nach dem Auslaufen seiner Bestellung nicht weiter als Geschäftsführer zu beschäftigen, hat der Senat eine Entscheidung über den Zugang zu dem Amt gesehen.

Weiter hat er die Beweislastregel des § 22 AGG angewendet. Danach muss der Bewerber nur Indizien beweisen, aus denen sich eine Diskriminierung ergibt. Das Unternehmen hat dann zu beweisen, dass der Bewerber nicht wegen seines Alters oder aus anderen unzulässigen Gründen benachteiligt worden ist. Hier hatte der Aufsichtsratsvorsitzende gegenüber der Presse erklärt, dass der Kläger wegen seines Alters nicht weiter beschäftigt worden sei. Man habe wegen des „Umbruchs auf dem Gesundheitsmarkt“ einen Bewerber gewählt, der das Unternehmen „langfristig in den Wind stellen“ könne. Das hat der Senat als ausreichend für die Beweislastumkehr nach § 22 AGG angesehen. Die Beklagte hat den damit ihr obliegenden Gegenbeweis nicht geführt.

Der Senat hat weiter ausgeführt, dass die Diskriminierung des Klägers wegen seines Alters nicht aus dem im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vorgesehenen Gründen gerechtfertigt war.

Damit hat der Kläger Anspruch auf Ersatz seines Vermögensschadens und auf Entschädigung wegen seines immateriellen Schadens.“

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 49/212, Urteil vom 23.April 2012 – II ZR 163/10; Vorinstanz: Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 29. Juli 2010 – 18 U 196/09; I. Instanz: Landgericht Köln, Urteil vom 27. November 2009 – 87 O 71/09;
Anmerkung: Die ausführliche Entscheidungsbegründung ist bereits veröffentlicht.

Link zum Bundesgerichtshof: www.bundesgerichtshof.de

Weitblick 

Der Bundesgerichtshof setzt mit dieser Entscheidung die Linie des Bundesarbeitsgerichts fort: Zu dem bisherigen vom Bundesarbeitsgericht anerkannten Indiz einer Altersdiskriminierung – eine Stellenausschreibung für „ein junges Team“ – kommen nun auch Äußerungen in Bezug auf eine „langfristige“ Tätigkeit, welche von einem drei Jahre vor der gesetzlichen Altersrente befindlichen Dienstverpflichteten offensichtlich nicht erwartet wird.

Die Besonderheit liegt vielmehr darin, dass der Bundesgerichtshof den partiellen Diskriminierungsschutz für Organmitglieder durch Auslegung auch so weit fasst, dass er in der Verlängerung eines befristeten Vertrags einen schützenswerten Zugang zur Erwerbstätigkeit sieht.

Im Übrigen genießen weisungsabhängige Geschäftsführer einer GmbH nach wie vor den vollen Diskriminierungsschutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, da sie genauso schützenswert wie andere Arbeitnehmer sind.