Orchester

Überblick

Die Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit – hier war es die Tätigkeit einer 1. (Solo-) Fagottistin – kann befristet erfolgen, ohne den Anforderungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes genügen zu müssen. Diese Befristung verstößt zudem nicht gegen die einschlägigen tarifvertraglichen Vorschriften nach dem Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK). Als allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) muss sie lediglich den gesetzlichen Anforderungen des BGBs entsprechen.

Durchblick

Die Klägerin ist seit dem 1. Dezember 2002 als Fagottistin bei der Beklagten im Orchester des Nationaltheaters beschäftigt. Sie ist Gewerkschaftsmitglied bei der Deutschen Orchestervereinigung (DOV), deren Tarifvertrag (TVK) direkt anwendbar ist. Nach § 3 Abs. 1 TVK („Begründung des Arbeitsverhältnisses“) dürfen Zeitverträge nur abgeschlossen werden, „wenn hierfür sachliche oder in der Person des Musikers liegende Gründe vorliegen. Der Abschluss von Zeitverträgen für die Dauer von mehr als 3 Jahren ist unzulässig.“ In § 20 Abs. 1 TVK ist unter der Überschrift „Tätigkeitszulagen“ geregelt: „Der Arbeitgeber kann dem Musiker mit seiner Zustimmung bei der Einstellung und während der Dauer des Arbeitsverhältnisses bestimmte Tätigkeiten und das Spielen von Nebeninstrumenten übertragen. Die Übertragung bedarf der Schriftform. Der Arbeitgeber kann die Übertragung jederzeit widerrufen, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Der Widerruf bedarf der Schriftform. Er ist unwirksam, wenn er aus Gründen erfolgt, die nicht in der Leistungsfähigkeit oder sonstigen Eignung des Musikers liegen.“

Als der damalige 1. (Solo-) Fagottist im Januar 2008 längerfristig erkrankte, vereinbarten die Parteien, der Klägerin „interimsweise die Tätigkeit einer 1. (Solo-) Fagottistin“ zu übertragen. Dies sollte „bis zur Genesung des Stelleninhabers, längstens bis 30.07.2009“ gelten. Als der bisherige 1. (Solo-) Fagottist in den Ruhestand trat, wurden vergleichbare Vereinbarungen getroffen, die „interimsweise“, längstens bis zuletzt zum 09. September 2012 gelten sollten. Die Beklagte zahlte dabei jeweils die erhöhte Tätigkeitszulage. An den folgenden Probespielen zur festen Stellenbesetzung nahm die Klägerin nicht teil, im September 2012 wurde die Stelle dann anderweitig besetzt. Ab diesem Zeitpunkt war die Klägerin wieder wie zu Beginn des Arbeitsverhältnisses als Fagottistin beschäftigt. Sie war allerdings der Meinung, ihr stünde weiterhin die Beschäftigung und Bezahlung als 1. (Solo-) Fagottistin zu.

Die Revision der Klägerin vor dem Bundesarbeitsgericht hatte wie zuvor die Berufung und die erstinstanzliche Klage keinen Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht sah ebenso wie die Vorinstanzen keinen Verstoß gegen den Tarifvertrag, da § 20 TVK dem Wortlaut, der Systematik und dem Regelungszweck entsprechend keine befristete Tätigkeitsübertragung ausschließt. Zudem betrifft die Dreijahresgrenze von Befristungen nach § 3 Abs. 1 TVK das gesamte Arbeitsverhältnis, „nicht jedoch die Befristung einzelner Vertragsbedingungen“. Die befristete Tätigkeitsübertragung erfüllt auch die gesetzlichen Anforderungen einer wirksamen AGB, insbesondere besteht sie die uneingeschränkte Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB, da die Gerichte in der Befristung keine unangemessene Benachteiligung gesehen haben. Das wird mit dem überwiegenden berechtigten Interesse der Beklagten begründet, die Tätigkeit erst dann unbefristet zu übertragen, wenn die tariflich vorgesehene Beteiligung des Orchestervorstands entsprechend ausgefallen ist. Damit wird die vom Orchester aufgestellte und vom Orchestervorstand umgesetzte Probespielordnung bedacht: Die Orchesterleitung darf daher auch auf die Meinungsbildung des Orchesters warten. Zudem überlässt das Gericht dem Arbeitgeber bei der unbefristeten Übertragung mit Verweis auf die Kunstfreiheit einen Spielraum, „subjektive künstlerische Vorstellungen des Orchesterträgers bzw. –leiters sowie die Befähigung zur Zusammenarbeit mit den anderen Orchestermitgliedern“ bei der Entscheidung zu berücksichtigen.

Weitblick

Mit diesem Urteil verfolgt das Bundesarbeitsgericht seine bisherige Linie zur Behandlung einzelner Arbeitsbedingungen nach AGB-Maßstäben weiter. Es hat wieder deutlich gemacht, dass die strengeren Anforderungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes nur die Befristung des gesamten Arbeitsverhältnisses, nicht die Befristung einer einzelnen Vertragsbedingung betrifft.

Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 7. Oktober 2015 – 7 AZR 945/13; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Oktober 2013 – 19 Sa 79/12; 1. Instanz: Arbeitsgericht Mannheim, Urteil vom 25. Juni 2012 – 3 Ca 126/12.

Anmerkung: Die ausführliche Entscheidungsbegründung des Bundesarbeitsgerichts ist veröffentlicht.
Link zum Bundesarbeitsgericht: http://www.bundesarbeitsgericht.de